Freude und Traurigkeit. Lachen und Weinen. Reiserückkehr-Depression und Verstimmungen. Kulturschock zuhause nach einer Reise. Nach Hause zu kommen nach einer längeren Zeit im Ausland ist nicht einfach. Für mich ist es sogar schwerer als den Schritt in die weite Welt zu wagen. Ich fühle mich geborgen und gleichzeitig alleine. Wie fühlt sich Heimkommen nach einer langen Zeit im Ausland an?
Zurück im Heimatdorf
Seit Mitte Dezember bin ich nun wieder im kleinen Dorf, in dem ich aufgewachsen bin. Hier leben ca. 900 Menschen. Hier habe ich meine Kindheit und Jugend bis zum Schulabschluss verbracht. Hier habe ich viel gelacht und geweint, unzählige Feste gefeiert und stand fast jeden Sonntag auf dem Fußballplatz. Hier habe ich schöne und nicht so schöne Momente erlebt. Hier habe ich Freunde gefunden, die immer noch in meinem Leben sind. Hier in den Nachbardörfern wohnen weitere Familienmitglieder, die mich stets unterstützen. Dieser Ort und mein Umfeld haben mich sozialisiert und geprägt, mich so gut es eben ging auf das Leben vorbereitet. Und hier sitze ich nun wieder. Im selben Dorf, im selben Haus, im selben Zimmer, am selben Tisch. Es hat sich kaum etwas verändert – zumindest auf den ersten Blick. Natürlich hat sich was verändert– und zwar ganz schön viel. Es wäre ja auch schlimm, wenn es nicht so wäre!
Spaziergang im Winterblues
An klaren Wintertagen nutzte ich die Sonnenstrahlen, um Spaziergänge zu machen. Das Storchennest in meiner Straße ist verlassen, genauso wie das Entenhäuschen auf dem Dorfteich. Die Bäume sind kahl und die Blumenwiese des Kindergartens schläft. Ich treffe kaum Menschen auf meinen Spaziergängen, aber wenn ich auf welche stoße (egal welchen Alters), dann kommt in den meisten Fällen ein „Ach Mariel, bist du wieder im Lande?“, gefolgt von einem kurzen Smalltalk. Mensch kennt sich eben hier! Selten laufe ich unbekannten Gesichtern über den Weg, aber auch dann kommt immer ein freundliches „Hallo“ oder zum Jahreswechsel ein „Frohes Neues“. Einige Häuser stehen leer oder wurden abgerissen und neugebaut. Aber gefühlt ist sonst alles andere an seinem Platz: der kleine Supermarkt, die Dorfkneipe, die Schule, der Sportplatz, die Altglascontainer und das Schwimmbad. Erinnerungen kommen hoch und ich schwelge in Gedanken während ich durch die Straßen laufe. Ist es nicht das, was ich vermisst habe?! Dieses ganz alltägliche Dorfleben … in dem augenscheinlich eigentlich nicht viel passiert, aber irgendwie doch.



An anderen Tagen machen mir die Kälte, die Nässe und der graue Himmel sehr zu schaffen. Die ersten Tage kam ich überhaupt nicht in die Gänge. Klar, war ich vom Jetlag gezeichnet, aber ich kam ganz durcheinander und war ständig müde. Sätze wie „Das hast du doch vorher gewusst“ oder „Mir geht’s auch so“ zeigen von Unverständnis, aber auch von Mitgefühl und machen deutlich, dass ich nicht alleine bin. Nach zwei Jahren ohne Winter in Norddeutschland war mir allerdings nicht mehr so bewusst wie dunkel und grau es die ganze Zeit ist. Mittlerweile macht mich dieser Umstand nicht mehr ganz so fertig, es wird besser!
"Na, schon wieder eingelebt?"
Diese Frage bekomme ich sehr oft bei der ersten Begegnung gestellt. Meine Antwort meist „Nein“ oder an guten Tagen „ein bisschen“. Inzwischen habe ich die Frage für mich beantwortet. Dabei ist die Antwort viel komplexer als ein stumpfes „Ja/Nein“.
Ankommen auf drei Ebenen
Betrachte ich es auf der körperliche Ebene, dann bin ich auf jeden Fall gut angekommen. Ich bin gesund gelandet und auch wenn ich in den ersten beiden Wochen fürchterlich gefroren habe (obwohl es ja angeblich nicht so kalt wie sonst war), geht es mir körperlich gut. Der Grippe und Corona-Kelch ist bisher glücklicherweise an mir vorbeigezogen. Eingelebt habe ich mich in der Hinsicht schon, dass ich mich wieder zu Recht finde. Im Supermarkt brauchte ich am Anfang etwas länger, da gefühlt alle Produkte einen neuen Platz gefunden haben. Ich gewöhnte mich schnell wieder an die Tatsache, dass für fast alles ein Auto benötigt wird … um zum Supermarkt zu fahren, ein Paket zur Post zu bringen, Besorgungen zu erledigen und Freunde zu besuchen. Das ist schon eine sehr große Umstellung für mich.
Auf mentaler Ebene bin ich gerade dabei mich einzuleben. Anfangs hörte mein Kopf nicht auf zu arbeiten … die Gedanken wollten meine volle Aufmerksamkeit – Tag und Nacht! Meine Gedanken kreisten um Dinge, dich ich erledigen musste. Um diese To-Do’s aus dem Kopf zu bekommen, fing ich an Listen zu führen. Da ist die Liste „Agentur für Arbeit & Krankenversicherung & neuer Job“ … eine weitere Liste heißt „Neue Wohnung & Möbel“ … dann gibt es noch die Liste „Autokauf“ und die Liste „Freunde & Familie“. Letztendlich darf die Liste „Mariel“ auch nicht fehlen. Puh, da ist es auch kein Wunder, dass mein Kopf nicht aufhört zu arbeiten. Das Aufschreiben hilft mir sehr, um meinem Kopf eine Pause zu gönnen – ein neuer Kalender bzw. Jahresplaner wurde bestellt und ist mittlerweile eingetroffen … zum Glück! Nun kommt in mein ganzes Chaos zumindest ein wenig Struktur. Zum Glück werden die Listen mit der Zeit kürzer.
Auf emotionaler Ebene fühle ich mich überhaupt noch nicht angekommen. Das wird wohl auch noch eine Weile so bleiben. Meine Emotionen fahren seit dem ersten Tag Achterbahn. In einem Moment geht’s mir sehr gut und im nächsten Augenblick können mir schon die Tränen kommen. Die Gegensätze sind einfach viel zu groß: Sonne vs. Wolkendecke, Blauer Himmel vs. Grauer Himmel, Freiheit vs. Verpflichtungen, Minimalismus vs. Konsum, kleine Wohnungen vs. Freistehende Einfamilienhäuser und Höfe, Wärme vs. Kälte, Spanisch vs. Deutsch … um nur einige Umstellungen zu nennen. Da dürfen die Gefühle auch mal verrücktspielen. Manchmal fühle ich mich leer. Dann helfen auch die lieben Worte und das Verständnis nicht mehr. Ich gehe Schritt für Schritt in ein ganz anderes Leben, als das, was ich zuvor führte. Mit jedem Schritt geht ein Stück Leichtigkeit verloren. Und genau diese Tatsache sorgt für mein Gefühlschaos. Wieso ist es nicht möglich, dieses andere Leben immer zu leben? Wieso ist es so schwer, diese beiden Leben miteinander zu verbinden?
Reisen verändert!
Diese Reise hat etwas verändert, hat mich verändert. In den vergangenen Monaten fern von zuhause habe ich viel erlebt, an mir gearbeitet, bin über mich hinausgewachsen. Schon vor meiner Reise habe ich versucht, mich nur mit Menschen und Dingen zu umgeben, die mich glücklich machen. Das klappte mal mehr, mal weniger … und so richtig bewusst war es mir auch nicht. Durch die Reise bin ich wieder bei mir selber angekommen … habe viele Ideen gesammelt, die umgesetzt werden wollen. Ich weiß, wen und was ich in meinem Leben möchte und wen oder was ich nicht möchte, wohin ich meine Energie gebe und was ich lieber gut sein lasse. Diese Reise hat mir mehr Klarheit über mein Leben gebracht und die Kraft das Hier und Jetzt wahrzunehmen, zu genießen und dadurch meine Zukunft zu gestalten. Ich freue mich schon, auf das, was nun kommt … was das Leben für mich bereit hält … und dabei darf ich auch zwischendurch ein wenig planlos sein.
In diesem Sinne: euch allen ein wunderbares Jahr 2022! Ich wünsche euch Kraft und Mut eure Träume Wirklichkeit werden zu lassen.
Vielen Dank, dass Du dir die Zeit zum Lesen meines Artikels genommen hast! Hat dir der Artikel gefallen, hast Du Fragen oder Anregungen? Dann lass’ gerne einen Kommentar da.
Liebe Mariel! Ich finde Du bist richtig mutig! Alleine auf diese Reise zu gehen und für so lange Zeit Deine Heimat zu verlassen. Klasse!! Umso mehr kann ich mich so gut in Dich rein versetzen, wie schwierig die Rückkehr für Dich sein muss. Auch wenn es bei mir immer nur kurze Reisen sind, maximal 8 Wochen, weiss ich wie schwierig es jedes Mal ist nach Deutschland zurück zu kommen mit der vielen Bürokratie, den gesellschaftlichen Zwängen, den Regeln, dem Materialismus etc. Ich wünsche Dir ganz doll, dass Du Deinen Weg im Leben findest – wie auch immer der aussieht und wo auch immer er sein mag!! LG, Chrischi
Liebe Chrischi, vielen Dank für deine Rückmeldung und deine lieben Worte! Meist spielt es gar keine Rolle, wie lange wir unterwegs sind. Selbst bei einer Reise über ein paar Wochen, kann sich der Kulturschock Zuhause schon bemerkbar machen. Im Urlaub … auf Reisen ist es meist anders als in der Heimat und bei mir stellt sich schnell das Gefühl von „Freiheit“ ein, obwohl wir hier doch eigentlich auch frei sind! Ich wünsche dir ebenfalls nur das Beste für deinen weiteren Weg. Ist deine nächste Reise denn schon geplant? Liebe Grüße!
Dicken Knutschi😘
Als ich damals nach einem Jahr aus Brasilien wiederkam, hab ich auch so tierisch gefroren🥴
Ich drück dich!
Hey Wiebke! Vielen lieben Dank für deinen Kommentar und dein Mitgefühl. Ufff, in Brasilien ist das Klima ja auch definitiv anders. Schön, dass du dich noch an die Zeit dort erinnerst!
Ich dachte, dass ich mich mittlerweile nun an die Kälte gewöhnt habe, aber nun ist ja die das nasskalte Wetter hier.
Ich drück‘ dich und hoffentlich bis bald mal!