Nun hat es uns in Valparaíso tatsächlich auch erwischt. Die letzten Wochen waren ungewiss, wie sich die Situation hinsichtlich COVID-19 in Chile bzw. in Valparaíso entwickelt.
Kein Grund zur Panik
In meinem letzten Eintrag habe ich kurz berichtet, dass es in der Hauptstadt Santiago und Umgebung seit einigen Wochen eine Ausgangssperre gibt und nun ist es auch in Valparaíso der Fall. Seit Freitagabend, 12. Juni 2020, gilt eine komplette Ausgangssperre in der Stadt. Also können wir das Hostel nur noch verlassen, um Besorgungen für unseren alltäglichen Bedarf zu erledigen. Dafür muss man sich irgendwie online mit dem Ausweis oder Reisepass registrieren und dann bekommt man eine offizielle Erlaubnis das Haus für maximal drei Stunden zu verlassen.
Von der Ausgangssperre haben wir zwei Tage im Vorfeld erfahren – ziemlich kurzfristig. Die Schlangen vor den Supermärkten waren in diesen Tagen unglaublich lang und es herrschte ein Gedränge auf den Straßen – viele wollten noch Besorgungen vor dem Lock-Down erledigen. Die carabiñeros (dt. chilenische Polizisten) patrouillierten durch die Straßen oder positionierten sich- mit Maschinengewehr – vor Supermärkten, um Abstandsregeln sowie Ein- und Ausgang zu regulieren.
Für uns im Hostel allerdings keinen Grund um in Panik zu geraten. Schließlich haben wir für einen großen Vorrat an Klopapier gesorgt (s. Titelbild) … ein Glück! Letztendlich ändert sich für uns in unserem Hostelalltag nicht viel, da wir uns sowieso seit drei Monaten in Eigenquarantäne befinden … d.h. keine neuen Gäste, keine Freunde oder Bekannte einladen sowie keine Bekannten oder Freunde zuhause besuchen … am Strand treffen war okay. Zunächst ist die Ausgangssperre auf sieben Tage befristet, aber niemand von uns glaubt da wirklich dran. Wir gehen eher davon aus, dass diese wieder und wieder verlängert wird. Wie lange? Keine Ahnung! Eine Maßnahme, die in meinen Augen sinnvoll ist, und zulange vor sich hergeschoben wurde.
Das Gesundheitssystem stößt an seine Grenzen
Mittlerweile stößt das chilenische Gesundheitssystem an seine Grenzen … besonders im Ballungsraum Santiago ist eine Auslastung der Krankenhausbetten hoch. Es wurden zusätzliche Betten eingerichtet, Beatmungsgeräte gekauft, Personal aufgestockt sowie Patienten in andere Städte gebracht. Insgesamt gibt es in Chile 167.355 bestätigte Corona-Infizierte. Davon sind 3.101 Menschen gestorben. Die meisten infizierten Menschen leben in Santiago und Umgebung (134.751 Infizierte) … in Valparaíso und Umgebung wurden bisher 6.527 Menschen mit dem Corona-Virus infiziert. (Stand 13.06.2020; 11:00 Uhr).
Proteste in Santiago
Im Großraum Santiagos kam es in einigen Gemeinden zu Protesten aufgrund der Folgen der Ausgangssperre und zu Auseinandersetzungen zwischen der Polizei und den Demonstrierenden.
Viele Bewohner*innen in diesen Gemeinden leben in prekären Verhältnissen und haben aufgrund der vergangenen Maßnahmen nichts zu essen, da sie ihre Jobs im Zuge der Pandemie verloren haben. Laut Schätzungen sind in Chile 30 % der Beschäftigen im informellen Sektor tätig. Diese sind besonders hart von den Maßnahmen betroffen. Die Demonstrierenden fordern finanzielle Unterstützung vom Staat.
Der Präsident Sebastián Piñera kündigte bereits an, Lebensmittelpakete an Haushalte zu verteilen, die aufgrund der Situation nicht arbeiten können. Stimmen aus dem sozialen Sektor fordern allerdings ein garantiertes Einkommen. Am 14. Mai 2020 wurde ein Rettungsplan hinsichtlich wirtschaftlicher Notlagen veröffentlicht. Die chilenische Regierung verspricht darin finanzielle Hilfe in Höhe von mehr als 17 Mrd. US-Dollar.
Zum Vergleich in Deutschland: Das Corona-Schutzschild Maßnahmenpaket beläuft sich auf einen Umfang der haushaltswirksamen Maßnahmen von insgesamt 353,3 Mrd. Euro und die Garantien betragen insgesamt 819,7 Mrd. Euro.
Die finanzielle Unterstützung in Chile ist u.a. für Familien in prekären Verhältnissen, Beschäftige im informellen Sektor, klein- und mittelständische Unternehmen sowie freiberufliche Arbeitende vorgesehen. Auch unser Hostelbesitzer hat Formulare ausgefüllt und um finanzielle Unterstützung gebeten. Es stellte sich heraus, dass er keinen Anspruch auf Unterstützung hat.
Mittlerweile bin ich seit drei Monaten hier im Hostel und seitdem wurden keine neue Gäste aufgenommen. Ihr könnt euch ja vorstellen, was das für ihn an finanziellen Einbußen bedeutet … und damit ist er nicht der einzige. Außerdem hat er mir erzählt, dass 2019 ebenfalls kein gutes Jahr für den Tourismus in Valparaíso war. Das Jahr war gezeichnet von den vielen Protesten und Ausschreitungen zwischen der Polizei und den Demonstrierenden. Dies führte dazu, dass weniger Menschen das Hostel besuchten. Also alles nicht so einfach!